Schleswig-Holsteinische SPD-Fraktion fordert Sarrazin zu Parteiaustritt auf

Veröffentlicht am 04.05.2011 in Landespolitik

Die SPD-Landtagsfraktion hat in ihrer heutigen Sitzung folgende Erklärung zum eingestellten Parteiausschluss-Verfahren verabschiedet und sich damit dem gestrigen Beschluss des SPD-Landesvorstands angeschlossen:

Mit großem Entsetzen mussten wir in der vergangenen Woche zur Kenntnis nehmen, dass Thilo Sarrazin weiterhin Mitglied unserer Partei bleiben soll. Dieses wollen wir nicht so hinnehmen! Als im letzten Jahr das Buch „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlicht wurde, entbrannte in der gesamten Gesellschaft eine Debatte über menschenunwürdige Thesen, die durch Thilo Sarrazin auch von einem SPD-Mitglied vertreten wurden.
Was Thilo Sarrazin von vererbbarer Intelligenz und fehlendem Integrationswillen bei muslimischen MigrantInnen anhand fragwürdiger Fakten in seinem Buch zu beweisen versuchte, hat nichts mit den sozialdemokratischen Werten gemeinsam, die wir alle in dieser Partei teilen und vertreten.
Jeder Mensch, der in eine Partei eintritt, entscheidet sich damit für Werte, die er für richtig hält und vertreten will. Wenn er dann im Laufe seiner Parteimitgliedschaft merkt, dass er einige Grundwerte nicht vertreten kann, sollte er über seine Mitgliedschaft erneut nachdenken. Äußert er sich aber in der Öffentlichkeit gegen die Grundwerte der Partei, muss die Partei entschlossen handeln. Nicht um ihm seine Meinung zu verbieten, sondern um zu zeigen, dass seine Thesen nicht die der Partei und ihrer Mitglieder sind. Dass die NPD mit Sarrazin auf ihren Wahlplakaten werben will, sagt genug aus.
Dass Thilo Sarrazin nun weiterhin das gleiche Parteibuch behalten darf wie wir, trifft uns sehr. Wie kann man einem Rechtspopulisten wie Sarrazin lediglich das Versprechen abnehmen, sein fremdenfeindliches Gedankengut nicht mehr in der Öffentlichkeit preiszugeben? Jeder Mensch hat das Grundrecht der Meinungsfreiheit, auch jemand, der unsere Werte nicht vertritt. Jedoch hat das von ihm vertretene Gedankengut keinen Platz in unseren Reihen und steht in keinem Zusammenhang mit unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität!
Unser Gesellschaftsbild ist mit dem Thilo Sarrazins nicht vereinbar. Unsere Grundwerte sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Das sind sie seit der Gründung der SPD und das werden sie immer sein. Das sind die Werte, für die jede Genossin und jeder Genosse in diese Partei eingetreten ist. Und diese sind nicht beliebig und sind kaum falsch zu verstehen. Unsere Verantwortung diesen Werten gegenüber ist stetig und nicht variabel. Weder an jedem normalen Tag, noch zu einem Wahltag hin. Ein Parteiausschlussverfahren sollte daher nicht auf dem bequemsten Weg gelöst werden, sondern vielmehr auf dem gerechtesten, der von der Mehrheit unserer Genossinnen und Genossen unterstützt wird. Wir können kein Verständnis für den Ablauf des Verfahrens bzw. für dessen Ergebnis aufbringen.
Wir stehen seit unserer Gründung für internationale Solidarität und gegen jegliche Diffamierung und Diskriminierung! Menschen mit Migrationshintergrund sind eine Bereicherung unserer Gesellschaft. Es sind Menschen, mit denen wir im guten Miteinander leben und als Partei in ständigen Dialog stehen. Sie sind ernst zu nehmen. Es darf deshalb nicht nur über sie geredet werden. Wir fordern einen offenen Umgang mit dem Thema Integration, bei dem nicht das „Draufhauen“ auf einzelne Gruppen, sondern die Solidarität und Gleichheit der Menschen im Vordergrund der Diskussion steht!
• Wir protestieren gegen fremdenfeindliches Gedankengut in unseren Reihen!
• Wir protestieren gegen den Zickzackkurs der Partei im Verfahren gegen Thilo Sarrazin!
• Wir protestieren gegen den Angriff auf unsere Grundwerte!
• Für uns steht fest: Herr Dr. Thilo Sarrazin ist nicht unser Genosse. Wir fordern ihn auf, unsere Partei zu verlassen!